Innenstadt-Verjüngung: Was kommt nach den Boomern in der City? (Januar 2025)

Domino Konkret Newsletter vom Januar 2025

Das abgelaufene Jahr 2024 war ein besonderer Meilenstein in der Bevölkerungsentwicklung hierzulande. Die geburtenstarken Jahrgänge mit ihrem Höhepunkt in 1964 und der anschließende „Pillenknick“ sind die Ursache dafür: Nie wieder werden mehr Menschen ihren runden 60. Geburtstag feiern als im vergangenen Jahr.

Die Gruppe der sogenannten „Baby Boomer“ (die Generation der von ca. 1955 bis 1965 Geborenen, abgekürzt meist nur Boomer genannt) ist damit langsam, aber sicher auf dem Weg aus dem Arbeitsleben. Aktuell machen gemäß einer Studie von PwC die Haushalte mit Personen über 55 Jahre noch 54% aller privaten Konsumausgaben aus. Diese Verteilung wird sich aber angesichts der demografischen Entwicklung schon bald ändern.

Alles, was bislang für die mittel- bis langfristige Aufstellung des innerstädtischen Einzelhandels mit Hauptfokus auf die Boomer relevant war, gehört wohl eher früher als später auf den Prüfstand. Nur wer heute schon das Verhalten der Kunden von morgen antizipiert, wird erfolgreich bleiben.

Zum Start ins neue Jahr wollen wir drei Trends bzw. Entwicklungen aufzeigen, die sich damit beschäftigen, wie die jüngeren Zielgruppen in der City angesprochenwerden können.

 

#1 Omnichannel - die Jungen sind flexibler

Bereits im Juli letzten Jahres zitierte der Harvard Business Manager eine Studie der Uni St. Gallen, in der 3070 Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihren Kaufgewohnheiten befragt wurden.

Je jünger die Befragten waren, desto „normaler“ war es für sie, sowohl online als auch offline vor Ort einzukaufen, zeigten also quasi ein „Omnichannel-Verhalten“. Die 40- bis 90-Jährigen neigten deutlich häufiger dazu, entweder im Geschäft oder aber online einzukaufen.

Mit der richtigen Motivation sind die jüngeren Generationen also keineswegs abgeneigt, ihre Einkäufe in physischen Läden zu tätigen. Dies zeigt aber gleichzeitig, dass keine generelle „Treue“ gegenüber dem stationären Handel per se mehr da ist - es muss jeweils einen guten Grund geben, warum bestimmte Dinge vor Ort statt online gekauft werden sollen.

 

#2 Community in die Innenstadt geholt

Einsamkeit und soziale Isolation gehören spätestens seit Corona zu den wachsenden Problemen - mit denen vor allem die jüngere Generation zu kämpfen hat.

Marken und Einzelhandelsgeschäfte, die es schaffen, Menschen aus dieser wachsenden Einsamkeit herauszuholen und soziale Interaktion jenseits von Online zu ermöglichen, haben ein großes Potenzial.

Innenstädte bieten mit ihrer zentralen Lage einen prädestinierten Ausgangspunkt, sogenannte „Communities“ aufbauen zu können, die sich im realen Leben treffen. Noch wird dies von recht wenigen Marken oder nur sehr großen Anbietern genutzt. 

Hier lohnt sich ein Blick in andere Branchen oder Nachbarländer wie beispielsweise Dänemark.

Dort macht in den letzten Jahren zum Beispiel die Sportmarke „Planet Nusa“ von sich reden. Als reine Online-Marke gestartet, veranstaltet das Label regelmäßig eine Reihe Lauf-, Schwimm- und andere Treffs, bei denen jede Woche 500+ "Markenfans" zusammenkommen. Der Nebeneffekt: Der kleine, nicht in 1A-Lage platzierte Laden ist zum Zeitpunkt der Treffpunkte voll - und in ganz Kopenhagen sieht man überall Menschen in der Sportkleidung mit dem kleinen Planeten als Logo, weil es einfach dazu gehört, in der Community auch die passende Kleidung zu tragen. Planet Nusa wird in dänischen Marketingmedien als „kulturelles Phänomen“ bezeichnet.

Wichtig ist dabei, dass der Faktor „Community“ über reine Events hinausreicht. Es geht nicht schwerpunktmäßig darum, „entertained“ zu werden, sondern Gleichgesinnte zu finden. Und das zeigt man dann oft durch die Produkte, die passend dazu gekauft werden und die das Gefühl des Dazugehörens vermitteln.

 

#3: Social to physical 

Wo früher noch der klassische „Schaufensterbummel“ ein zentraler Ort des Entdeckens neuer Produkte war, findet heute ein großer Teil der Produktinspiration online statt.

In einigen Branchen gibt es Entwicklungen, dass online gefundene Produkte möglichst zeitnah nachgefragt sind - und sich junge Menschen das jeweilige Stück sofort im Geschäft vor Ort kaufen möchten.

Ein solches Verhalten zeigt sich beispielsweise gerade im Buchhandel, wo durch „BookTok“ Titel entdeckt, aber vielfach direkt stationär gekauft werden und der lokale Buchhandel dadurch eine „kleine Renaissance“ erlebt, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. 

Ähnliche Hypes sind zum Beispiel im Bereich Food durch die „Dubai“-Schokolade entstanden, die eine große Welle ausgelöst hat - auch hier wurden zahlreiche Kunden in die Geschäfte geholt.

Manche Shops nutzen den Hype ganz strategisch, indem man „Auflagen“ nur limitiert vor Ort verfügbar macht und somit Konsumenten in die Geschäfte lockt.

Der physische Einzelhandel kann also durchaus mithalten, wenn online gefundene und mit medialem Hype verknüpfte Produkte direkt verfügbar sind und sofort mitgenommen werden können. Dies erfordert allerdings, dass die für die jeweiligen Zielgruppen relevanten Trends proaktiv online beobachtet werden müssen. So sollte die Warenpräsentation offline in der Innenstadt immer wieder angepasst werden - was gut gestaltete Schaufenster und entsprechende Promotionen in den Einkaufsstraßen mit einschließt.

Fazit:

Offline ist nicht tot, auch jüngere Konsumenten kaufen nach wie vor offline ein. 
Allerdings ist im Gegensatz zu älteren Generationen der Gang ins lokale Geschäft nicht mehr ein Automatismus, sondern es wird von Fall zu Fall jeweils neu entschieden.

Die bei vielen Filialisten und Einzelhändlern immer noch weit verbreitete Strategie, einzig von „zufälllig vorbeikommender“ Laufkundschaft zu leben, ohne sich - auf welche Weise auch immer - im Vorfeld ihrer Kaufentscheidung darum zu bemühen, wird aller Voraussicht nach für viele Einzelhandelskonzepte in Zukunft nicht mehr funktionieren.

Stationäre Läden müssen für die jüngeren Generationen einen Mehrwert bieten, der über die reine Zweckmäßigkeit hinausgeht.


Umsatzsteigerungen: Einzelhandel war 2024 im Plus

Nach zwei Jahren im Minus habe es im Jahr 2024 erstmalig wieder einen Zuwachs im Einzelhandelsumsatz gegeben, wie das Handelsblatt vermeldete. So seien im Jahr 2024 die Umsätze im Vergleich zu 2023 um 2,7 Prozent gewachsen. Real - also preisbereinigt - lag der Umsatzzuwachs jedoch mit 1,3 Prozent nicht ganz so hoch. 

Besonders zum November und dem damit einhergehenden Black Friday und beginnenden Weihnachtsgeschäft wuchs der Umsatz (wir berichteten). Insgesamt sei gemäß Experten für das eben begonnene Jahr allerdings kein Konsumboom zu erwarten.

Frequenzsteigerungen in 2024

Im Jahr 2024 ist die Frequenz der Passanten in den bundesdeutschen Fußgängerzonen im Durchschnitt um 1,5 Prozent gewachsen. In der gedruckten Ausgabe der FAZ berichtete Felix Schwarz am 8. Januar aber an der selben Stelle, dass zwischen 2015 und 2023 61.000 Einzelhandelsgeschäfte aufgegeben hätten. Der HDE fordere deswegen unter anderem ein Sonderabschreibungsprogramm Innenstadt, „um privates Kapital für Investitionen im Stadtkern anzulocken“. Auch begrenzte Sonntagsöffnungen könnten beispielsweise kleinen und mittelgroßen Städten helfen.

Die bekannte Binse "Handel ist Wandel" ist im Jahr 2025 also aktueller denn je.

 

Innenstadtansicht

 

Der erste Monat des neuen Jahres © Archiv DOMINO

 

 
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Black-Friday-Rabatte und Lebkuchen: Die Psychologie im vorweihnachtlichen Einzelhandel (Dezember 2024)